Blockchain, Robotik, Big Data oder KI oder Kryptowährung … Neue Technologien sind längst in allen gesellschaftlichen Bereichen Disukussionsstoff. Anstatt sich davon verrückt machen oder lähmen zu lassen, ist die Antwort auf die Frage, wie mit Digitalisierung umzugehen ist, so einfach wie herausfordernd: sie zu gestalten
VUCA erleben und für uns gestalten
Digitalisierung ist das Trend- und teilweise auch Sorgenthema. Man muss nicht erst zu den großen Vier – Amazon, Google, Facebook, Apple – schauen, sie treibt sich längst durch alle Branchen und Sektoren. Neue Möglichkeiten, Chancen und Potentiale entstehen genauso wie Risiken und Probleme – und das in hoher Geschwindigkeit, immer wieder unvorhergesehen, ohne dass ihre vielschichtigen Hebel und Grenzen erkannt werden könnte. Zudem müssen wir uns immer wieder fragen, ob diese und jene Entwicklung nun gut oder schlecht ist. Anders gesagt: Die Digitalisierung ist das Paradebeispiel für die VUCA-Welt.
Anstatt sich davon lähmen zu lassen, ist die Antwort auf die Frage, wie mit Digitalisierung umzugehen ist, so einfach wie herausfordernd: sie zu gestalten. Häufig werden dafür zwei große Gestaltungsbereiche genannt: Geschäftsmodellentwicklung und Kulturveränderung.
Digitalisierung Ihres Geschäftsmodells
Zum Umgang mit Digitalisierung gehört zum einen die wiederholte Klärung wie das eigene Geschäftsmodell Chancen der Digitalisierung aufgreifen könnte – und sich evolutionär oder sogar revolutionär weiterentwickeln kann. Bei der Unübersichtlichkeit der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung sind Entscheider heute gefordert, sich immer wieder aufs Neue die Frage der weiteren Entwicklung zu stellen, Entwicklungsrichtungen auszuloten und Neues prototypenhaft auszuprobieren oder auch wieder zu verwerfen. Unternehmen müssen gewissermaßen in einem permanenten Test-Modus sein.
Digitalisierung heißt Kulturwandel
Zum andern kündigt sich mit der Digitalisierung genauso ein Kulturwandel an. Denn um in der digital beschleunigten VUCA Welt Schritt halten zu können, brauchen Organisationen eine hohe Sensibilität und Übersetzungsfähigkeit für Anforderungen des Marktes, für die Entwicklung des Wettbewerbs und für die Chancen technologischer Innovationen. Dies zu gewährleisten heißt oftmals die Verteilung von Verantwortung auf viele mitunternehmerisch handelnde Mitarbeitende und Teams mit entsprechenden Gestaltungsfreiheiten, flachen Hierarchien und einer offenen, wertschätzenden Fehlerkultur – um nur einige Aspekte zu nennen. Daimlers Leadership 2020 oder Otto’s Kulturwandel 4.0 sind gute Beispiele für derartige unternehmensweite Veränderungen.
Muster wechsel dich
An diesen beiden Bereichen wird die Krux in der Gestaltung der Digitalisierung deutlich: Nicht nur ändert sich unsere Welt durch die Digitalisierung und viele andere Treiber ständig. Auch Unternehmen sollten sich darauf gefasst machen, sich immer wieder zu verändern. Planstrategien, Kontinuierliche Verbesserungsprozesse, oder Innovationen aus den bestehenden Kernkompetenzen greifen oftmals zu kurz. Es braucht die lernende Organisation, die in der Gestaltung der Digitalisierung ständig lernbereit, also veränderungsoffen ist: Sie ist in der Lage gelernte Muster abzulegen und neue zu erlernen.
Dimensionen in der Gestaltung der Digitalisierung
Bei unserer Themenwerkstatt „The human factor: Digitalisierung in Unternehmen gestalten“ sind wir mit unseren Teilnehmenden diesem Anspruch nachgegangen. Dabei haben wir den Rahmen für die 7 inhaltlichen Dimensionen aufgemacht, die aus unserer Erfahrung in der Begleitung des digitalen Wandels immer wieder relevant werden.
Manche Organisationen müssen sich neu erfinden, andere weiterentwickeln, was das Portfolio ihrer Geschäftsmodelle betrifft, damit neue Geschäftsfelder erschlossen werden können. Dabei helfen klassische Methoden, wie Business Modell Innovation oder Visions- und Strategieentwicklung etc. Häufig steht dabei eine radikale Kundenorientierung nach dem Motto „Outside in“ im Vordergrund. Eine Annährung durch kreative Ansätze oder Prototyping in Kombination mit guter Erprobung kann erste Erkenntnisse bringen. Manche Mitarbeiter spüren in solchen Prozessen Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes. Durch eine frühe Einbindung der Mitarbeiter in den Suchprozess kann dem begegnet werden und gleichzeitig lassen sich so neue Perspektiven und zusätzliche Kompetenzen mit einbeziehen. Das sorgt für eine Stärkung des Vertrauens mit gleichzeitiger Verteilung der Verantwortung.
Die Digitalisierung von Unternehmen bringt meistens eine immense Datenvielfalt mit sich. Häufig entsteht dabei ein Mehr an Transparenz – was analog nicht auffällt, ist ggf. digital sichtbar. Entscheidungen können mit mehr Daten belastet werden. Zugleich entsteht nicht selten der berühmte Informationsdschungel, der wiederum den Entscheidungsdruck erhöht. Hat man wirklich alle Informationen für eine Entscheidung oder vielleicht etwas übersehen? Im Ergebnis kann das zu einer Überforderung von Einzelnen führen. Technisch begegnen kann man diesen „Nebenwirkungen“ mit speziellen Systemen zur Informationsbereitstellung und kulturellen Regeln der Informationsbereitstellung. Ebenfalls sind Systeme zur Förderung einer engen Zusammenarbeit und besserer Schnittstellenkommunikation sinnvoll (Slack, MS Teams etc.).
Immer mehr zusätzliche Kanäle werden genutzt, was die Erreichbarkeit eines Einzelnen und die Geschwindigkeit der zielgerichteten Informationsstreuung erhöht. Das soziale Netzwerk der Mitarbeiter wird so ausgebaut, Informationen zu Kompetenzen, Erfahrungen und Arbeitsgebiet leichter geteilt. Teamräume in Messaging- oder Chatdiensten können sowohl für Teams als auch andere Gruppen und für Führungskräfte eingerichtet werden. Zugleich mag bei manchen dadurch eine Flucht in die Anonymität drohen. Die direkte Kommunikation zwischen den einzelnen kann darunter leiden. Es ist also wichtig neben den Kommunikationsplattformen darauf zu achten, dass Team- und Kulturevents stattfinden, eine gemeinsame Feedbackkultur gepflegt wird und Regeln zur Kommunikation miteinander vereinbart werden. Ein methodischer Ansatz einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, bietet zudem etwa Working out loud.
Digitalisierung eröffnet dem Einzelnen neue Felder, seinen Alltag und sein Leben zu gestalten. Viele spüren schon seit Jahren, dass mit den Möglichkeiten digitaler Kommunikation die Erwartungen, die an den Einzelnen in Unternehmen gestellt werden, sich verändern. Homeoffice und Arbeit außerhalb der Bürozeit ist häufiger möglich, dazu aber genauso eine ständige Erreichbarkeit gewünscht oder sogar nötig. Nicht selten sind Mitarbeitende dann always on, um ja nichts zu verpassen. Zum Teil erleben sie die ständige Erreichbarkeit genauso als Kontrolle. Je nach Ausgangslage könnte hier die gemeinsame Vereinbarung eines Teamvertrags, die Einführung einer lebendigen Feedbackkultur genauso wie gegenseitige Unterstützung im Zeitmanagement etc. hilfreich sein.
Mit der Digitalisierung können neue Anforderungen an unsere biografische Gestaltung einhergehen. Durch neue Arbeits- und Aufgabenfelder entsteht eine höhere Vielfalt und somit auch die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln. Der Wandel ganzer Berufsbilder kann einen starken Fortbildungsdruck bei den Mitarbeitenden hervorrufen und zur Überlastung führen. Durch entsprechende HR-Angebote und der Einladung zum Feedback kann dem begegnet werden. Personal Mastery und die Ermutigung zu disrupt yourself, verbunden mit einem guten Austausch im Kollegenkreis versprechen Stabilität und Perspektive.
Durch Digitalisierung ändern sich die Anforderung an Führungskräfte. Eine Vielzahl von digitalen Tools erleichtern Remote Leadership. Allein die Feedbackmöglichkeiten sind wesentlich umfangreicher als früher. Viele Mitarbeitende nehmen heute die Möglichkeit der Digitalisierung wahr und arbeiten von zuhause oder einem anderen Ort. Ebenfalls ist die Verteilung von Teams über verschiedene Standorte heute keine Seltenheit mehr. Diese setzt eine hohe innere Transparenz voraus. Für Führungskräfte und ihre Mitarbeitende heißt dies mehr Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen. Dazu braucht es eine gute Rollen- und Erwartungsklärung.
Für agile Arbeitsstrukturen, die heute in immer mehr Bereichen zum Einsatz kommen, ist eine gute Rollenklärung essenziell. Insgesamt ist der Regelungsgrad bei dieser noch relativ neuen Arbeitsform wesentlich höher als in der klassischen. Gerade durch die Verantwortungsübertragung in Teams ist es relevant, Handlungs- und Entscheidungskompetenzen genau zu definieren und ggf. ein Coaching der Teammitglieder mitzudenken. Denn nicht jeder möchte sofort Verantwortung übernehmen oder so eng in einem Team zusammenarbeiten, auch wenn man die Vorteile wie beispielsweise einer höheren Flexibilität oder das Verfolgen von gemeinsamen Zielen sieht. Einer teilweise herrschenden Orientierungslosigkeit wirken klare Methodik sowie digitale Tools entgegen. Dafür bedarf es Raum zum Ausprobieren, Erleben und Experimentieren. Damit die Herangehensweisen und die Zusammenarbeit ständig verbessert werden, ist es genauso wichtig, regelmäßige Reflexionsschleifen durchzuführen.
Das Prinzip der beidhändigen Führung
Für die Gestaltung der Digitalisierung hat sich das Bild beidhändigen Führung bewährt (Rosing, Frese und Bausch 2011). Die eine packt neue Themen an, gibt Raum für Autonomie, für Innovation und Fehler(-kultur). Die andere setzt auf Routinen, klare Abläufe, Regeleinhaltung und Risikovermeidung. Nicht selten symbolisiert sich darin die Dynamik der Entwicklung von Unternehmen, die Platz schaffen zum Ausprobieren (sei es die AG Digitalisierung, das agile Team im Co-Working Space oder das Start-Up in Berlin) und zugleich emsig weiterhin das gelernte und etablierte Tagesgeschäft verfolgen. Es sind zwei Hände, die zum gleichen (Unternehmens-)Körper gehören. Dessen Aufgabe ist es die Themen der Unternehmensentwicklung aus beiden Bereichen miteinander in Kontakt zu bringen, manchmal auch zu jonglieren und dabei sowohl das Gute zu bewahren, in beiden Teilen ein angemessenes Maß an Sicherheit und Klarheit zu geben und zugleich das wertvolle Neue schnell und dynamisch in der Gesamtorganisation zu übernehmen.
Auf dem Weg zur lernenden Organisation
Im Grunde sind viele Rezepte zur Gestaltung der Digitalisierung 30 Jahre alt: Um veränderungsoffen und bereit zu sein, also Muster immer wieder auf Neue zu wechseln, braucht es die Lernende Organisation. Peter Senge, der das Konzept geprägt hat dazu 5 Dimensionen identifiziert, die sich alle auf die ein oder andere Weise in den Erfolgsgeschichten der Digitalisierung wiederfinden. Die Quintessenz daraus: Wir können Digitalisierung dann gut gestalten, wenn wir unsere Organisationen und die Menschen darin entwickeln.