Agilität vs. Planung: Kann man agile Projekte budgetieren?

Vielfach hören wir in unserer Beratungspraxis zu agilen Projekten in durchaus hitzig – und manchmal auch ideologisch – geführten Debatten zwischen agilen Praktikern Sätze wie: „Ein festes Budget zu Beginn eines agilen Projektes zu erstellen, ist ein Ding der Unmöglichkeit“. Etwas weniger dogmatische Agil-Follower argumentieren eher dahingehend, dass es durchaus möglich ist ein agiles Budget für Projekte zu erstellen. Aber dadurch wird das agile Potential, nämlich in einem kreativen Prozess in kurzen Hochleistungssprints die bestmöglichen Ergebnisse hervorzubringen, beschnitten und bleibt unter seinen Möglichkeiten.

Zweifellos ist die große Stärke der agilen Methoden ihre Effektivität. Diese wird aber in der Praxis häufig ausgebremst, sobald es zur Preisfindung bzw. Vertragsgestaltung kommt: Wenn das Projekt agil sein soll, also ständigen Veränderungen ausgesetzt ist, schwankt dann nicht zwangsläufig auch der Preis? Kann man so überhaupt vernünftig planen, geschweige denn ein Budget oder für die Beauftragung einen Festpreis ermittelt?

Agile Methoden helfen, unter gegebenen Bedingungen das bestmögliche Ergebnis zu erzielen

Wir glauben ja! Und nicht nur das… agile Methoden erlauben nicht nur Festpreise, sie sind sogar unserer Ansicht nach in besonderem Maße dazu geeignet, auch unter dieser Rahmenbedingung das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Auf den ersten Blick wird auch die Fragestellung der Preis- bzw. Budgetfindung mit einem agilen Ansatz nicht einfacher: Team bzw. Dienstleister sehen sich meist damit konfrontiert, dass feste Zusagen gegeben und schnell etwas geliefert werden soll, obwohl klar ist, dass der Auftraggeber bis dato noch nicht alle Anforderungen definiert hat, ständig neue Ideen haben wird und diese in das Projekt einfließen müssen. Für die, die Budgets erstellen und kontrollieren müssen ein Albtraum.

In der agilen Fachdiskussion hat sich eine Standardmethode zur Bildung des „agilen Festpreises“ für große Projekte durchgesetzt (siehe hier). Aber was macht man bei überschaubaren Vorhaben, für die man aber auch belastbare Zahlen braucht?

Agile Projekte – Alles anders, oder nur alles anders betrachtet

Das magische Dreieck des Projektmanagements besitzt auch in der agilen Welt weiterhin seine Gültigkeit – aber agil stellt das klassische Denken der Wasserfalllogik auf den Kopf.

Diese Stellschrauben zur Projektplanung und Projektsteuerung bleiben auch bei agilem Projektmanagement die gleichen. Allerdings mit einem Unterschied in der Priorisierung. Wenn bislang in aufwändigen Prozeduren der Scope scheinbar (!) genau ermittelt wurde und von dort ausgehend Kosten und Termin extrapoliert werden, so ist es bei agil umgekehrt. Die Kosten und der Termin werden fix gesetzt, variabel sind dann die tatsächlichen Eigenschaften des Produktes oder Ziele des Projekts. So einfach und doch so radikal, da dies hohe Anforderungen an alle Beteiligten stellt. Das bedeutet nämlich erstmal mit der Ungewissheit „Was kommt am Ende eigentlich genau raus?“ leben zu müssen. Und bei klassisch geplanten Projekten kommt ja auch nicht nur das raus, was geplant war.

Was bedeutet das in der Praxis?

Auch bei einer agilen Arbeit beschreibt man zum Start Ziele oder Produkteigenschaften auf Basis des Wissens vom Projektstart. Allerdings längst nicht so detailliert und nicht als Versicherung gegen Claim Management, sondern als gemeinsame Verständigungsbasis zwischen Team und Auftraggeber. Das agile Framework bietet mit ständigen Reviews und Retrospektiven eine verbindliche Struktur, die immer wieder für die partnerschaftliche Diskussion zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer genutzt werden kann: Wo setzten wir Prioritäten? Wofür geben wir das Budget genau aus? Was ist aus jetziger Sicht und vom Projektstart her gedacht wichtig?

Und welche Voraussetzungen braucht es für agile Projekte?

  • Vertrauen und Partnerschaft
  • Agiles Arbeiten und agiles Zusammenarbeiten bedeutet eine grundlegende Änderung im Spiel: Change requests als das zentrale Mittel für den Lieferanten um mit dem Projekt Geld zu verdienen, haben ausgedient. Wenn der Lieferant oder Auftraggeber kein Vertrauen entwickelt, kann agile Zusammenarbeit unter Festpreisbedingungen nicht gelingen. Wesentliche vertrauensbildende Maßnahmen sind dabei Testsprints, die prototypische Umsetzung von ausgewählten Funktionalitäten und einiges mehr.
  • Empowerment für die Mitarbeiter in den einzelnen Teams und Sitzungen
  • Wenn die Mitarbeiter im Review keine Entscheidungsbefugnisse haben und faktisch bei jeder Änderung an den Vertrieb und den Einkauf verweisen müssen, ist es wohl besser gleich bei der alten Wasserfalllogik zu bleiben – agile Potentiale können so jedenfalls nicht gehoben werden. Klare Entscheidungen, Mut und Kompetenz in den agilen Teams sind notwendig, damit Fachleute, die die Folgen ihrer Entscheidung beurteilen können, miteinander auf Augenhöhe verhandeln können.
  • Klare Eskalation
  • Und trotzdem (und darauf sollten Sie vorbereitet sein) ist es möglich, dass keine Einigung erzielt wird. Auch hierfür muss ein klarer Weg ohne Schuldzuweisung vorab definiert werden: Also wer spricht mit wem, wenn wir uns hier nicht einig werden und wie kommen wir in diesem Falle trotzdem zu verbindlichen Entscheidungen.
  • Absolute Transparenz
  • Um noch einmal daran zu erinnern: Transparenz zu Budget, Budgetverbrauch, geplante und schon erreichte Produkteigenschaften sowie Termine und Risiken im Projetverlauf für Team und Auftraggeber ist der zentrale Erfolgsfaktor der agilen Arbeit. Und dies gilt gerade unter Festpreisbedingungen. Nur die jederzeitige Transparenz eröffnet die notwenigen Steuerungsmöglichkeiten in den agilen Teams um gemeinsam zwischen Auftraggeber und – nehmer schnell und effizient auf Risiken und Störungen im Projektverlauf zu reagieren.

Zahlen zu Kontrollzwecken sind der falsche Weg!

Es ist nicht die Höhe des Festpreises, der Vereinbarungen oft im Wege steht. Zahlen ergeben sich von selbst, wenn Anforderungen und Risiken klar benannt sind. Wer aber Zahlen v.a. aus Kontrollzwecken installiert, weil er nicht vertrauen kann oder will oder keine partnerschaftliche Zusammenarbeit sucht, der braucht eine andere Projektmanagementmethode als agiles Vorgehen… oder vielleicht einen anderen Partner.

Womit wir Sie unterstützen können:

  • Gestaltung von agilen Prozessen und Rollenmodellen
  • Prozessbegleitung bei der Einführung von agiler Arbeit
  • Unterstützung beim Aufsetzen von agilen Festpreisprojekten
  • Auswahl und Umsetzung von vertrauensbildenden Maßnahmen
  • Erarbeitung von kulturangepassten Frameworks für agiles Arbeiten
  • On the job Qualifizierung für agile Coaches und Produktowner
  • Teamentwicklung für agile Teams
  • Praxisbegleitung von Retrospektiven und Planungsmeetings
  • Agiles Change Management

Ein Beitrag von Gerd Kullmann und Peter Rüffer

Gerd Kullmann

Trainer, Berater und Coach.

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