Die grundsätzliche Rolle einer Führungskraft bleibt auch im New Normal die Gleiche, es bedarf keiner grundlegenden anderen Führungskompetenzen. Oder doch?
Die zunehmende Digitalisierung, agiles Arbeiten, Remote Leadership und auch die Individualisierung der Mitarbeitenden erfordern eine (noch) transparentere Kommunikation, eine (noch) sorgfältigere Vorbereitung von Meetings und einen sicheren Umgang mit digitalen Werkzeugen. Das rüttelt bei vielen am Selbstverständnis von Führung, an den eigenen Überzeugungen, der inneren Haltung.
Das bedeutet für Führungskräfte: raus aus der Komfortzone. Nur wer sich dehnt und streckt wird beweglicher und kommt mit den Fingerspitzen bis zum Boden Und wer es schafft, den dabei auftretenden Schmerz als Lösungsschmerz zu verstehen, wird auch kontinuierlich weitermachen und das geforderte stückweit agiler /werden.
Aufgabe von Führungskräften ist es, ihren Verantwortungsbereich gut zu managen, die vereinbarten Ergebnisse zu erzielen, Prozesse kontinuierlich zu verbessern und Individuen sowie Teams personenbezogen zu führen und Beziehungen (mit) zu gestalten. Der Gestaltung von (weiterhin) tragfähigen Arbeitsbeziehungen im gesamten Team sowie der Gestaltung der Vorgesetzten-Mitarbeiter*innen Beziehung kommt im New Normal eine besondere Bedeutung zu: Menschen werden durch das Soziale verbunden und genau hier liegt das Veränderungspotenzial, wenn Menschen remote geführt werden. Spannungen im Team sind im bisherigen „Normal“ schon nicht immer einfach zu lösen, remote ist es meistens schon schwierig, sie überhaupt rechtzeitig zu erkennen. Eine Aussage wie „lass uns das mal unter vier Augen besprechen“ kann dann auch heißen „lass uns das erstmal vertagen, bis wir uns wieder im Büro sehen“.
Und das wiederum wäre dann gleichbedeutend mit: „Ich weiß auch nicht, wie wir unsere Spannung lösen können, also lass uns nicht darüber sprechen, vielleicht löst es sich von allein!“ – letztlich also die Konfliktvermeidung, wo potenziell beide Seiten nur verlieren. Nur von allein haben sich noch selten Spannungen gelöst, im Gegenteil. Solche „kalten“ Konflikte haben die lästige Angewohnheit, irgendwann wie eine Tretmine hochzukommen, wenn der berühmte Tropfen das Fass überlaufen lässt.
So gilt es für eine Führungskraft, achtsam und aktiv Kontakt zu halten, um den Finger immer am Puls zu haben. Kernaspekte sind dabei Vertrauen und Feedback. Je seltener ich als Führungskraft meine Mitarbeitenden sehe, umso dezidierter ist Zeit zu investieren, um Erwartungen auszutauschen, Beziehungspflege zu betreiben, Verständnis aufzubauen, Feedback zu geben und auch einzuholen, um eine gute Bindung herzustellen, die im Ergebnis das Vertrauen festigt resp. ausbaut.
Eine kleine Reflexion zum Thema Vertrauen:
- Wieviel Vertrauen habe ich in meine Mitarbeitenden?
- Wie leicht fällt es mir, Vertrauen in andere zu haben?
- Bei wem fällt es mir leicht/schwer?
- Glaube ich, dass jede(r) Mitarbeitende sich weiterentwickeln kann?
- Wann und wofür übe ich Kontrolle aus?
- Wer vertraut mir/ -nicht?
Zielbild des New Normal
In vielen Organisationen werden die Rahmenbedingungen für New Normal top down vorgegeben. Gerade dann ist es sinnvoll, Beteiligung herzustellen und sich im Team zu verständigen, wie New Normal dann im Team gelebt werden soll. Mögliche Fragen dazu:
- Wie treffen wir Absprachen dazu, wieviel Homeoffice/mobiles Arbeiten, Arbeit im Büro jede*r hier langfristig realisieren?
- Wer entscheidet was? Was kann jede*r eigenverantwortlich entscheiden? Wo muss Rücksprache genommen werden?
- Wie schaffen wir Ersatz für die informellen Austausche in der Kaffeeküche?
- Wie initiieren wir schnelle Abstimmungsgespräche?
- Wie gestalten wir kleine und große Meetings?
- Wie gehen wir damit um, dass die räumliche und zeitliche Trennung von Arbeit und Privat sich auflöst und dass der Arbeitstag zu Hause beginnt und endet?
- Welche unterschiedlichen Bedürfnisse gibt es seitens der MA und seitens der FK? (mal transparent machen!)
- Warum ist der unangekündigte Video-Call der Vorgesetzten kein Misstrauen?
Darüber hinaus ist es hilfreich, über bestehende Regelungen zu sprechen. Was sich bewährt hat, soll beibehalten werden, andere Regelungen, die sich eingeschlichen haben, müssen vielleicht verändert oder wieder abgeschafft werden.
Führungskräfte sind natürlich für den Arbeitsfortschritt und die Arbeitsergebnisse verantwortlich. Während bei der Arbeit im Büro der Fortschritt oft augenscheinlich ist, muss eine passende Form dafür gefunden werden, wenn viele Teammitglieder im Homeoffice arbeiten. In Teams, die vertrauensvoll zusammenarbeiten, wird das als transparenter Abgleich zwischen Realität und Ziel verstanden, ohne dass ein „schräges“ Gefühl von Kontrolliert-Werden entsteht.
Michael Baas