Was heißt eigentlich Diversität?
Lange habe ich für mich Diversität auf die Faktoren Gender, Interkulturalität und Hautfarbe bezogen. Das sind wesentlich Aspekte, doch zu Diversität gehört viel mehr, z. B. sozioökonomische Aspekte wie Berufsstand, Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung. Und somit zeigt sich schon, wie divers wir in unserer Gesellschaft eigentlich sind. Und wenn wir den Blick auf Unternehmen werfen… Wie sieht es bei Ihnen in Ihrem Unternehmen und ganz konkret in Ihrem Team aus? Es lohnt sich, einen Moment innezuhalten und sich bewusst zu machen, was Ihr Team divers bzw. heterogen macht. Welche Aspekte spielen da eine Rolle?
In Unternehmen erlebe ich unterschiedliche Bewusstheitsgrade zu Diversität in Teams und den Umgang damit. Manche Firmen nehmen die Diversität (d.h. die Unterschiedlichkeiten) in Teams nicht bewusst als eine Ressource wahr, sondern betonen eher, dass jeder Mensch gleich ist (zur Entwicklung der interkulturellen Sensitivität, s. DMIS Modell von Bennet) und setzen auf Gleichbehandlung. Die Unterschiedlichkeiten werden nicht als Chance genutzt. Andere Unternehmen setzen bewusst auf heterogene Teams und wählen neue Teammitglieder entsprechend aus. Hier ist kritisch zu hinterfragen, mit welcher Intention. Geht es einfach um das Aushängeschild „wir haben Diversität im Unternehmen“ oder geht wirklich darum, Diversität zu leben, die Unterschiedlichkeiten zu erkennen, wertzuschätzen und zu nutzen? Bewusst gelebte Diversität betrachtet Unterschiedlichkeiten nicht als trennend, sondern als verbindend und bezieht Unterschiede bewusst mit ein. Wir sprechen dann von Inklusion im Sinne von unterschiedlichen Perspektiven z. B. bei der Entscheidungsfindung ernst zu nehmen und wirklich mitzuberücksichtigen.
These: Man kann Diversität nicht ohne Inklusion leben.
Ziel von Diversität und Inklusion ist nicht die Gleichbehandlung, sondern die Berücksichtigung von Unterschieden, um faire Ausgangsbedingungen herzustellen.
Beispiel: ein Kleinunternehmen möchte sein Image von deutscher Firma auf internationale Firma ändern und stellt entsprechend Personen anderer kultureller Herkünfte ein. So weit so gut – was das Image betrifft. Wenn die Firma sich wirklich als internationale Firma erfahren möchte, dann bedeutet dies jedoch mehr. Es bedeutet, sich wirklich mit interkulturellen Unterschieden auseinanderzusetzen und sie zu inkludieren, sich zu öffnen für das Andersdenken, für das Anderskommunizieren (indirekte/direkte Sprachen), für ganz andere Herangehensweisen und Arbeitsweisen. UND gleichzeitig muss der Raum und die Sicherheit geschaffen werden, dass diese Unterschiede Ausdruck finden und gelebt werden können. Wenn das gelingt, können Teams und Unternehmen aus der Vielfalt schöpfen.
Eine kleine Anekdote am Rande:
Stellen Sie sich vor: eine kleine Firma mit Sitz in Deutschland und Mitarbeitern aus über 50 Nationen. Ganz schön heterogen!
Zur Weihnachtszeit steht das alljährliche Weihnachtsbaumschmücken an. Eine Tradition, die in der deutschen Kultur sehr geschätzt wird. In diesem Jahr lädt eine deutsche Führungskraft alle in ihrem Team ein, ihre Ideen zum Schmücken des Weihnachtsbaumes einzubringen. Und in der Tat sind alle begeistert dabei. Schnell stellt sich heraus, dass es doch sehr viele Vorstellungen von einem schönen und geschmückten Weihnachtsbaum gibt. Während die Führungskraft von einem klassischen also eher grünen Weihnachtsbaum ausging, gab es andere Vorstellungen von asiatischen und afrikanischen Kollegen von Weihnachtsbäumen aus Gold, Silber oder sogar roter Farbe. Und bei den Schmuckideen wurden die Vorstellungen noch bunter. Während die deutschen Kolleg*innen von Sternen, Weihnachtskugeln und etwas Lametta ausgingen, gingen die Ideen der anderen Nationen hin zu neon- blinkendem Schmuckbehang und Winkekatze.
Die Frage, wie der Baum dieses Teams am Ende aussah, kann an dieser Stelle leider nicht beantwortet werden.
Michèle Ribero