Schatzsuche – erster Halt

Vielleicht wissen Sie es schon – aber hier noch einmal der Kontext für meinen Blogbeitrag:

Wir (CONTRACT) haben uns für den Sommer vorgenommen, unsere Kunden und interessante Organisationen zu besuchen und uns Zeit für persönliche Gespräche zu nehmen – was gegenwärtig wirklich kostbar ist 😊. Mit unserer Reise zu Kunden und Menschen, die in gesellschafts- und systemrelevanten Feldern arbeiten, wollen wir Dialoge führen und unser Wissen teilen, um einen kleinen Beitrag zum Netzwerken und Brücken bauen zu leisten und um relevante Zukunftsthemen ins Bewusstsein zu rufen. Unser etwas anderer Beitrag zur Nachhaltigkeit!

Gestern haben wir unseren ersten Besuch gemacht und sind sehr inspiriert, aber auch nachdenklich weggegangen.

Der Besuch erfolgte in der südlichen Rheinebene bei einer neuen Niederlassung einer bundesweit aktiven Pflegedienst GmbHG für betreutes Wohnen und Pflege für Menschen ab 60 Jahren mit Hauptsitz in Berlin. Ein tolles Gebäude, lichtdurchflutete und in schönen Farben liebevoll gestaltete Räume und eine sehr nette Gesprächspartnerin empfingen uns herzlich. Die Einrichtung bietet ambulante Pflege, Tagespflege und vor allem Betreutes Wohnen an.

Die an das Gespräch anknüpfenden Gedanken will ich gerne teilen.

1. „Kulturunterschiede“ in den Bundesländern

Unsere Gesprächspartnerin hat uns hierzu anschauliche Beispiele aus ihrem Dialog mit den Kolleg*innen aus Berlin berichtet: Dort sehen die Bedarfe an Versorgung von Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf ganz anders aus. Ältere Menschen in Baden-Württemberg und Bayern bleiben scheinbar so lange wie möglich in ihrer häuslichen Umgebung (oft Eigentum) und verlassen dieses erst, „wenn es zu Hause nicht mehr geht“. In Berlin und den östlichen Bundesländern scheint dies ganz anders zu sein, so dass es dort weit mehr Angebote für Betreutes Wohnen und Tagepflege gibt als im Süden. Menschen dort scheinen sich für Angebote zum Betreuten Wohnen und zur Tagespflege leichter und selbstverständlicher entscheiden zu können.

2. Unterschiede der Generationen

Bei der Suche nach Personal für die relativ neu eröffnete Einrichtung ist die Niederlassungsleitung auf sehr unterschiedliche Arbeits-Lebens-Modelle gestoßen. Der Wunsch nach Teilzeitbeschäftigung ist in vielen (!) Bewerbungen deutlich erkennbar gewesen. Während ein Teil der Bewerber*innen mit Berufserfahrung aus vollstationären Einrichtungen kamen und eine Teilzeitbeschäftigung anstrebten, wollten die meisten Berufseinsteiger*innen von vornherein „nur“ Teilzeit arbeiten. Der Trend mit vielen Teilzeit-Beschäftigten zu arbeiten, stellt die Arbeitgeber*innen natürlich vor spezifische Herausforderungen: Dienstplangestaltung mit individuellen Wünschen, Kommunikationskonzepte, um alle gleichermaßen informiert zu halten und die Herausforderung, den Teamgeist mit wechselnder Besetzung zu unterstützen, der so notwendig ist und auch erwartet wird. Und so ist es wenig verwunderlich, dass standardisierte Abläufe erarbeitet und dokumentiert werden müssen, damit eine reibungslose Zusammenarbeit möglich werden kann. Dies wiederum entspricht nicht immer dem Bedürfnis nach individuellem Handeln.

3. Ohne Netzwerk geht gar nichts

Als weiteren Punkt möchte ich das sogenannte „Netzwerken“ nennen. Auch hier schilderte unsere Gesprächspartnerin, wie wichtig Austausch mit Stakeholdern vor Ort und auch überregional ist. Da sie in einem bundesweit agierenden Unternehmen arbeitet, hat sie „automatisch“ verschiedene Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches und damit einen Wissensvorsprung vor vielen anderen lokal agierenden Akteur*innen. Die bundesweiten Niederlassungen sind keine Konkurrenten, daher ist „Wissen teilen“ sehr leicht. Dies sieht wohl in lokalen Netzwerken anders aus. Kooperation, gemeinsam attraktive Stadt(teil)entwicklung zu betreiben, scheint noch ein großes, weit entferntes Ziel zu sein. Dabei wird in Gesprächen und Dialogen sehr schnell deutlich, dass es gerade in unserer Zeit so wichtig ist, sich auszutauschen, voneinander zu lernen und Konzepte aus anderen Regionen in der eigenen auszuprobieren. Nur gemeinsam und im ECHTEN Dialog können wir unsere gesellschaftlichen Herausforderungen angehen, indem wir unsere Kräfte bündeln und aufteilen.

4. Versorgung mit Fokus auf stationäre Pflege?

Ein letzter und persönlicher Gedanke für heute: In meinem Alter beschäftige ich mich immer wieder mit dem Thema des Älterwerdens und der dann evtl. notwendig werdenden Versorgung. Mein Traum ist ein ansprechendes, handicap-gerecht gebautes Haus „frühzeitig“ zu beziehen – also, wenn ich noch mobil und wenigstens zum Teil eigenständig bin.

Dies wäre in dieser Einrichtung sehr gut möglich, weil sowohl die Räumlichkeiten als auch die buchbaren individuellen Leistungen vorgehalten werden. ABER das Thema der Finanzierung stellt die Verwirklichung in Frage. Bislang ist es nicht möglich, diese Leistungen (Betreuung ohne Pflegeleistungen) in der Pflegeversicherung oder Sozialversicherung abzurechnen. Während die vollstationäre Pflege (einigermaßen gut) finanziert ist, wird „mein Modell“ (von einer „Mieterin im Betreuten Wohnen“) leider nicht mit Mitteln aus den Versorgungskassen unterstützt, einzig die Beantragung von Verhinderungspflege könnte hier helfen.

Sie merken schon, dass dies ein echter Dschungel und unübersichtlich ist, oder? Das ist irgendwie desillusionierend, da ich wohl oder übel mit meiner eher bescheidenen Rente ein „Fall für die vollstationäre Pflege“ werde.

Wenn ich an die vielen Menschen in meiner Babyboomer-Generation denke, frage ich mich ernsthaft, wie wir das schaffen wollen – ohne uns mit alternativen Versorgungs-Unterstützungen zu beschäftigen.

Lassen Sie uns im Dialog bleiben!
Irene Ott-Hargina

Irene Ott-Hargina

Beraterin, Trainerin und Coach.

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